Deutschland braucht viele qualifizierte Fach- und Arbeitskräfte. Der große Bedarf ist bereits jetzt in unserem Alltag enorm spürbar. Kunden müssen wochenlang auf einen Termin mit Handwerker:innen warten, Restaurants reduzieren ihre Öffnungszeiten, weil sie keine Servicekräfte finden. 

Der Fachkräftemangel wird sich in Zukunft noch mehr zuspitzen, denn bis 2035 werden rund sieben Millionen Fach- und Arbeitskräfte der Baby-Boomer-Generation in Rente gegangen sein. Gleichzeitig obliegt unser Arbeitsmarkt massiven Veränderungen durch die Digitalisierung und den Umbau der Industrie zur Klimaneutralität. Neue Berufe werden entstehen und vielfältige Qualifikationen werden gebraucht.

Nur wenn wir genügend Fachkräfte haben, kann der Wohlstand für alle gesichert und können die sozialen Sicherungssysteme zukunftsfest aufgestellt werden. Im Juni haben wir daher zwei wichtige Gesetze zur Fachkräftesicherung im Bundestag verabschiedet: Mit dem Aus- und Weiterbildungsgesetz machen wir sowohl junge Menschen als auch bereits ausgebildete Beschäftigte fit für den sich wandelnden Arbeitsmarkt. Und mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz erleichtern wir den Zuzug von Fach- und Arbeitskräften aus dem Ausland.

Die Ausbildungsgarantie kommt

Knapp 2,6 Millionen junge Menschen in Deutschland haben keine abgeschlossene Ausbildung. Deswegen unterstützen wir sie beim Einstieg in das Berufsleben: Mit Berufsorientierungspraktika können sie in einen Beruf hineinschnuppern und im Anschluss eine Berufsausbildung beginnen. Diese Einstiegsqualifizierung wiederum macht sie, wo nötig, fit für die Ausbildung.

Wer trotz aller Bemühungen keinen Ausbildungsplatz findet und in einer Region mit wenigen Ausbildungsplätzen wohnt, hat dank der Ausbildungsgarantie einen rechtlichen Anspruch auf eine außerbetriebliche Ausbildung.

Damit sich mehr junge Menschen für eine duale Berufsausbildung auch außerhalb ihres Wohnortes entscheiden, braucht es vor allem mehr bezahlbares Wohnen und eine bessere Mobilität für Azubis. Die SPD-Fraktion konnte durchsetzen, dass zwei Heimfahrten pro Monat im ersten Ausbildungsjahr gefördert werden, wenn junge Menschen eine Ausbildung außerhalb ihrer Heimatregion beginnen.

Zugleich nimmt Weiterbildung während des Berufslebens einen immer größeren Stellenwert ein. Wer heute einen Beruf erlernt, übt diesen eben nicht mehr das gesamte Leben lang aus. Mit dem Aus- und Weiterbildungsgesetz fördern wir die Kultur des lebenslangen Lernens und stärken die Weiterbildung während des Erwerbslebens. Unternehmen, die ihre Beschäftigten weiterbilden möchten, werden wir daher noch gezielter unterstützen. Arbeitnehmer:innen von heute sollen auf dem Arbeitsmarkt von morgen eine Chance haben.

Deshalb wird die Weiterbildungsförderung künftig für alle Betriebe zugänglich sein. Wir schaffen zudem Planungssicherheit für sie, indem wir feste Förderhöhen gesetzlich verankern. Dank des Einsatzes der SPD-Fraktion im Gesetzgebungsverfahren werden kleine und mittlere Unternehmen noch besser bei der Weiterbildung gefördert.

Weiterbildung im Strukturwandel

Das neu geschaffene Qualifizierungsgeld ergänzt die bereits bestehenden Angebote der Weiterbildungsförderung. Es richtet sich an Unternehmen, die sich im Strukturwandel befinden und deren Beschäftigten daher der Arbeitsplatzverlust droht. Voraussetzung für den Bezug ist eine Vereinbarung im Rahmen eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung sowie ein strukturwandelbedingter Weiterbildungsbedarf von 20 Prozent der Beschäftigten des Betriebs, die dank der Qualifizierung im Betrieb beschäftigt bleiben können. Währenddie Arbeitgeber:innen die Weiterbildungskosten übernehmen, erhalten die Beschäftigten während der Weiterbildung eine Lohnersatzleistung in Höhe des Kurzarbeitergeldes – sie kann durch den Betrieb aufgestockt werden.

Das Aus- und Weiterbildungsgesetz wird dafür sorgen, dass in Deutschland die Arbeitskräfte gut genug ausgebildet sind, um die Jobs von morgen zu übernehmen. Doch aufgrund des demografischen Wandels wird das alleine nicht ausreichen. Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarktentwicklung (IAB) sagen voraus, dass wir eine Netto-Zuwanderung von ca. 400.000 Arbeitskräften jährlich benötigen, um den Fachkräftemangel in Deutschland abzufedern. Deshalb soll das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz die Arbeitsmigration erleichtern.

Mit dem reformierten Gesetz verbessern wir die bestehenden Wege, aus Staaten außerhalb Europas nach Deutschland zu kommen, und bieten künftig auch jenen eine Chance zur Einwanderung, die bisher noch nicht die Voraussetzungen erfüllten. Dabei wird sichergestellt, dass diese neuen Wege nicht zu Lohndumping oder Ausbeutung genutzt werden.

Wir setzen dabei auf drei Säulen: Qualifikation, Erfahrung und Potenzial. Im Mittelpunkt stehen die vorhandenen Qualifizierungen und Vorerfahrungen der Menschen: Wer mindestens zwei Jahre Berufserfahrung, eine berufliche Qualifikation und einen Verdienst über einer bestimmten Gehaltsschwelle oder die Geltung eines Tarifvertrages vorweisen kann, kann künftig einwandern. Der Abschluss muss also künftig nicht mehr formal in Deutschland anerkannt sein. Wer einen Abschluss hat, kann künftig jede qualifizierte Beschäftigung ausüben. Damit wird mehr Flexibilität geschaffen und auf den Wandel der Arbeitswelt reagiert.

Zudem führen wir eine Chancenkarte ein, die es auch Menschen ohne Arbeitsvertrag ermöglicht, nach Deutschland zu kommen. Sie basiert auf einem Punktesystem, bei dem unter anderem Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Voraufenthalte, Alter und mitziehende Partner:innen berücksichtigt werden.

Pragmatische Lösungen für Asylsuchende

Eine deutliche Verbesserung haben wir in den Gesetzesverhandlungen für Menschen im Asylverfahren erreicht. Die Trennung von Asyl- und Erwerbsmigration ist für uns ein sehr wichtiger Punkt. Aber wir wollen auch pragmatische Lösungen für Fachkräfte schaffen, die bei uns im Asylverfahren sind. Dazu soll Asylsuchenden, die bereits die Voraussetzungen mitbringen, um in Deutschland als Fachkraft zu arbeiten, der unkomplizierte Wechsel in die Erwerbsmigration ermöglicht werden. Das gilt für alle Geflüchteten, die bis zum Stichtag Ende März eingereist sind.

Egal, ob als Schutzsuchende oder hochqualifizierte Fachkräfte: Es kommen Menschen. Menschen mit ihren Familien, die sich bewusst dazu entscheiden, in Deutschland zu leben und zu arbeiten – allein dafür verdienen sie unseren Respekt. Das bedeutet aber auch, dass wir alle dazu aufgerufen sind, unseren neuen Nachbar:innen, unseren neuen Kolleg:innen offen gegenüber zu stehen.

Die Fachkräfteeinwanderung wird den Arbeitskräftemangel nicht allein eindämmen, sondern ist ein Baustein unserer Fachkräftestrategie, zu der auch das Aus- und Weiterbildungsgesetz gehört. Erst wenn die verschiedenen Bausteine zusammen ihre Wirkung entfalten, wird sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt entspannen und Deutschland seinem Ruf als Fachkräfteland gerecht werden.